
ZZwei Schritte vor, einen zurück: Der Discounter Aldi experimentiert seit einigen Jahren mit einer engeren Zusammenarbeit seiner beiden Schwestern Aldi Süd und Aldi Nord. So haben die Handelsketten, die 1961 von den Brüdern Karl und Theo Albrecht in zwei getrennte Unternehmen aufgeteilt wurden, vor drei Jahren ihre Markennamen zusammengelegt. Zuletzt traten sie auch mit einer gemeinsamen Imageanzeige auf. Aber es wird teilweise im neuen Jahr enden.
Ab Januar werden die beiden Rabatte in den einzelnen Aktionen unterschiedliche Prioritäten haben. Grund dafür sind laut Aldi Meinungsverschiedenheiten über die beste Werbeausrichtung nach dem Inflationsschock der vergangenen Monate. Discounter haben angesichts des starken Anstiegs der Lebensmittelpreise im Jahr 2022 Marktanteile von Supermärkten wie Edeka und Rewe zurückgewonnen.
Aldi Süd will nach Angaben der Mülheimer Zentrale wie schon im vergangenen Jahr „Veganuary“ für seine vielfältige Angebotskampagne nutzen. Das Kunstwort beschreibt eine Kampagne von Vegan-Aktivisten, die Menschen dazu animieren wollen, einen Monat lang auf tierische Produkte zu verzichten. Der eigene Slogan von Aldi Süd lautet dementsprechend: „Bewusste Ernährung – nur ohne Rummel.“ Die Kampagne der Agentur Antoni ist auf sechs Wochen angesetzt, inklusive Radio und Kino. Erst dann wolle Aldi Süd stärker auf den Preis setzen, sagt eine Sprecherin auf Nachfrage.
In den ersten vier Wochen des Jahres startet Aldi Nord zudem eine von Accenture Song entwickelte eigenständige Kampagne. Die neusten Kunden will Aldi Nord mit dem Slogan „Azzinati Price-Azzinati“ erreichen – ebenfalls mit einem Hinweis auf „Veganuary“, aber mit stärkerer Betonung der Preise. Diese Anzeige soll nach Angaben der Essener Aldi-Nord-Zentrale vier Wochen laufen – überwiegend digital. Aktuell beliebte Themen wie Nachhaltigkeit und Bio-Umwelt treten bei der Aktion „Original Aldi Preis“ aus der Aldi Nord-Zentrale in Essen in den Hintergrund.
Daher setzt Aldi Nord im neuen Jahr stärker auf den Preis als Aldi Süd. „Bei Aldi kannst du es dir leisten“ ist ein passender Slogan, den die Agentur Antoni auch in TV-Clips verwendet. „Mit der öffentlichkeitswirksamen Preiskommunikation zu Jahresbeginn wollen wir deutlich machen, dass unsere Kunden auch 2023 auf Qualität zum bestmöglichen Preis zählen können“, erklärt Gianfranco Brunetti, Marketingleiter von Aldi Nord.
Aldi Nord und Süd konnten sich offenbar nicht auf eine gemeinsame Werbestrategie einigen
Grund für die vielstimmige Zukunft ist nach Angaben der Discounter, dass sich die Spitzen von Aldi Süd und Aldi Nord erneut nicht auf eine gemeinsame Stoßrichtung für eine große gemeinsame Aktion einigen konnten. Daher haben die beiden separaten Anzeigenkampagnen jetzt einen anderen Fokus. Die Kampagne „Bei Aldi kannst du dir leisten“ mit ihren TV-Clips werde aber von beiden Aldi entwickelt und genutzt, ergänzte der Vertreter von Aldi Süd am Montag nach bisherigen Angaben des Unternehmens.
Mit zwei zusätzlichen Einzelaktionen zweier unterschiedlicher Agenturen spalteten die beiden Aldi-Ketten ihre Werbung in Teile auf, die die beiden nach wie vor wichtigen Elemente „Preis“ und „Vielfalt“ neuerdings zu gemeinsamen Themen und Orten zusammenführten. 2021 wurde die Kampagne „Für jeden Moment das Passende“ ins Leben gerufen. Auch die Weihnachtswerbung 2022 entstand von den beiden gemeinsam.
Generell ist die Abstimmung von Werbeankündigungen zwischen der Zentrale in Essen und Mühlheim noch neu. In der Vergangenheit haben sich die beiden Aldi-Ketten in Sachen Werbung kaum eingemischt – schließlich warben sie nur mit gedruckten Prospekten bei den Kunden in ihrer Region. Es ging nicht ums Image, sondern um Preise und Sonderposten.
Erst seit 2016 werben sie auch im Fernsehen, Radio, auf Plakaten und zunehmend auch online. Damals starteten die beiden ihre erste gemeinsame Imagekampagne. Die beiden Marketingabteilungen hatten sich auf ein Thema „Einfachheit“ geeinigt, um die Discount-Marke von Aldi aufzufrischen. Druck gab es auch von der Konkurrenz: Auch Rewe, Edeka und Lidl polierten zunehmend ihr Image im Fernsehen. Doch schon damals gab es kleine Unterschiede: Aldi Nord beteiligte sich zunächst nicht an Aktivitäten in den sozialen Medien wie Facebook und Instagram, die Aldi Süd in Eigenregie steuerte.
Seit diesem ersten gemeinsamen Auftritt mit beiden Aldi-Logos als Absender gibt es mehrere Anzeichen dafür, dass sich die beiden Händler einander annähern. Tatsächlich sind einzelne Handelsmarken ein sichtbares Zeichen dafür, dass beim gemeinsamen Einkaufen Skaleneffekte erzielt werden. Außerdem gründeten die beiden einen gemeinsamen Online-Shop. Es führte sogar zu Spekulationen, dass die beiden Händler fusionieren könnten. Im Moment sieht es nicht danach aus. Beide Zentralen haben nach wie vor ihre eigenen großen Einkaufsabteilungen.
Denn es bleiben konzeptionelle Differenzen, die sich auch im vorliegenden Fall zeigen. Aldi Nord soll die Qualität der Ladenausstattung eher zweifeln. Dazu passt die Betonung des niedrigen Preises in der Werbung. Andererseits kündigte Aldi Süd Deutschland-Chef Stefan Kopp in einem Interview mit WELT AM SONNTAG im Dezember an, dass 2023 die Kooperation mit der Bio-Gesellschaft Naturland starten wird – ein weiterer Grund, bewusste Ernährung als Thema zu betonen.
Allerdings dürfte separate Werbung auch ihre Nachteile haben: Beide Ketten müssen nur für die Gestaltung ihrer Kampagnen bezahlen. Zudem dürften viele Verbraucher in den kommenden Wochen Werbebotschaften aus beiden Teilen von Aldi sehen und somit ein weniger einheitliches Markenbild erleben.
Das Imperium von Aldi ist nicht nur regional in Deutschland, sondern auch international verbreitet. Die beiden Sprösslinge haben die Welt unter sich aufgeteilt. So expandiert Aldi Süd beispielsweise in Großbritannien, Australien und den USA. Aldi Nord bedient dagegen beispielsweise Polen, die Benelux-Staaten, Spanien und Frankreich. Allerdings hatte Aldi Nord im vergangenen Jahr erstmals angekündigt, ein Land zu verlassen: Die dänischen Filialen werden an einen lokalen Konkurrenten verkauft.
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